Staatshilfen und Corona / Covid-19 – Haftungsrisiken vermeiden
Viele Unternehmen nehmen aufgrund der angespannten Lage im Zusammenhang mit dem Corona-Virus / COVID-19 staatliche Hilfen wie Kurzarbeitergeld, Soforthilfen, Darlehen oder die Stundung von Steuerzahlungen in Anspruch. Zudem wurde die Pflicht zur Stellung von Insolvenzanträgen modifiziert/ausgesetzt. Dr. Christian Rosinus und Stephan Schwarz diskutieren die hiermit verbundenen strafrechtlichen, steuerlichen und zivilrechtlichen Haftungsrisiken und die Möglichkeiten, diese zu vermeiden. Darüber hinaus zeigen sie Handlungsoptionen für den Fall auf, dass schon zu Unrecht Förderungen in Anspruch genommen wurden.
Die Wirtschaftslage in Deutschland steht nach wie vor deutlich im Zeichen von COVID-19. Viele Betriebe kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Unterstützung bekommen sie in vielen Fällen über staatliche Hilfsprogramme. Gleichzeitig kommen mit diesen Fördermitteln Haftungsrisiken auf die Gesellschaft selbst und die Geschäftsführung persönlich zu, auch strafrechtlicher Art. Die Medienberichte über Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Staatshilfen häufen sich bereits. Worauf müssen Unternehmen jetzt achten?
Welche Unterstützungsmaßnahmen stehen krisengebeutelten Unternehmen zur Verfügung?
Die Bundesregierung hat zu Beginn der Corona-Krise zügig reagiert und verschiedene Hilfsprogramme angestoßen, die unbürokratisch zu beantragen und schnell verfügbar sein sollten. Zum Maßnahmenpaket gehören u.a. die einmalige Soforthilfe in Höhe von EUR 10.000,-, die Beantragung von Kurzarbeitergeld und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Dazu kommen verschiedene Förderkredite der KfW. Im steuerlichen Bereich sollen die Stundung von Steuerschulden und die Anpassung bzw. Erstattung von Vorauszahlungen finanzielle Erleichterung verschaffen. Außerdem besteht die Möglichkeit, Ersatz und Entschädigung nach dem Infektionsschutzrecht geltend zu machen, bspw. wenn es aufgrund einer Quarantäneanordnung zu Verdienstausfall kommt (vgl. § 56 IfSG).
Welche Haftungsrisiken drohen Unternehmen und Geschäftsleitung?
Alle Hilfsmaßnahmen haben eins gemeinsam: Sie können nur in Anspruch genommen werden, wenn der Antragsteller unmittelbar und nicht unerheblich von COVID-19 betroffen ist. Für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht heißt das beispielsweise: Nur weil sich der Eintritt der existenzbedrohenden Zahlungsschwierigkeiten mit der Corona-Krise überschneidet, bedeutet das nicht zwingend, dass kein Insolvenzantrag zu stellen ist oder nach gusto Staatshilfen in Anspruch genommen werden können. Die Insolvenz muss ursächlich auf der Pandemiesituation beruhen, andernfalls besteht erhebliches Haftungspotenzial.
Das Haftungsrisiko kann sogar eine strafrechtliche Qualität erreichen und die Liste potenziell zu verwirklichender Straftatbestände ist lang. Neben Steuerdelikten können (Subventions-)Betrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und falsche Versicherung an Eides statt im Raum stehen. Werden z.B. steuerliche Hilfsmaßnahmen beantragt, die zu einer – wenn auch nur vorübergehenden – Verkürzung von Steuern führen, rutschen Verantwortliche schnell in den Bereich der leichtfertigen Steuerverkürzung oder sogar vorsätzlichen Steuerhinterziehung, §§ 370, 378 AO. Fehlerhafte Angaben in Antragsformularen können betrugsrelevant sein. Da es sich bei vielen der Staatshilfen um Subventionen im Sinne des § 264 StGB handelt, steht unter Umständen sogar ein Subventionsbetrug im Raum. Obwohl die strafrechtlichen Haftungsrisiken die individuelle Person betreffen, kann auch das Unternehmen selbst die (finanziellen) Folgen zu spüren bekommen, beispielsweise über eine Geldbuße nach § 30 OWiG oder eine Einziehung.
Nach der Abgabenordnung können Mitglieder der Geschäftsleitung außerdem in die unangenehme Situation geraten, bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten persönlich für einen möglichen Steuerausfall haften zu müssen (§ 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO). In den Anträgen auf Stundung von Steuerschulden wird ausdrücklich auf die Geschäftsführerhaftung hingewiesen – insofern ein deutlicher Fingerzeig der Finanzverwaltung, dass sie der Frage der persönlichen Haftung dann, wenn es wirklich zu endgültigen Steuerausfällen kommt, nachkommen wird.
Wer jetzt denkt, er ist am sichersten unterwegs, wenn er lieber einen großen Bogen um Staatshilfen und Fördermittel macht, ist leider auf dem Holzweg. Die Geschäftsleitung ist gesellschaftsrechtlich verpflichtet, zum Schutz der Gesellschaft Maßnahmen zu beantragen, wenn und soweit diese geboten sind. Bei Untätigkeit droht wiederum die Haftung – eine Gradwanderung für Geschäftsführer.
Wie lassen sich Haftungsrisiken trotz aller Unsicherheiten minimieren?
Eines ist sicher – die Beantragung von Staatshilfen und Fördermitteln kann haftungstechnisch schnell zur Stolperfalle werden. Eine ordentliche Dokumentation der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens muss oberste Priorität haben. Ergeben sich daraus Umsatzeinbußen im Zusammenhang mit COVID-19, die einen Antrag rechtfertigen, kann man guten Gewissens die staatlichen Hilfen beantragen.
Wie zu reagieren ist, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass bei der Beantragung etwas schief gelaufen ist, ist Einzelfallfrage. Die Erfahrung zeigt, dass es grundsätzlich ratsam ist, das Gespräch mit der zuständigen Behörde zu suchen. Oft lassen sich durch frühzeitige Ansprache schlimmere, insbesondere strafrechtliche Folgen vermeiden. Es ist allerdings auch bei eigeninitiativer Offenlegung von Fehlern bei der Beantragung nicht auszuschließen, dass die Behörden mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens reagieren. Darauf sollten Unternehmen vorbereitet sein.
Fazit
Auch nach knapp sechs Monaten sind die ökonomischen Folgen der COVID-19-Pandemie noch nicht in vollem Umfang abzusehen. Die Empfehlung lautet daher, trotz aller Ungewissheiten einen kühlen Kopf zu bewahren und die wirtschaftliche Entwicklung im Unternehmen sorgfältig zu dokumentieren.