Richtiges Verhalten bei behördlichen Durchsuchungen
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Zusammenfassung
Dass Unternehmen von behördlichen Durchsuchungsmaßnahmen betroffen sind, stellt keinen Ausnahmefall dar. Um auch in der Hektik der Durchsuchung Ruhe bewahren zu können, sollten Unternehmen dafür Sorge tragen, dass Leitungspersonal und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Erstfall vorbereitet sind.
Wie kommt es zu einer Durchsuchung?
Die Durchsuchung ist eine klassische Ermittlungsmaßnahme, von der Behörden im Ermittlungsverfahren regelmäßig Gebrauch machen. Wenn es um strafrechtliche Vorwürfe geht, ist Anlass für eine Durchsuchung gegeben, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde und die geplante Durchsuchung Aussicht darauf bietet, insbesondere zur Ergreifung der beschuldigten Person oder dem Auffinden von Beweismitteln zu führen.
Durchsucht werden können Wohn- oder Geschäftsräume, aber auch andere Sachen wie Fahrzeuge – und zwar bei Beschuldigten selbst oder auch bei Dritten. Hier kommen Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen in Frage. Selbst bei Straftaten mit Unternehmensbezug sind Durchsuchungsmaßnahmen oft nicht auf die Geschäftsräume begrenzt. Häufig werden parallel die Privaträume der Beteiligten durchsucht. Insbesondere wenn die eigenen vier Wände durchsucht werden, wird es für die Beteiligten unangenehm. In den allermeisten Fällen sind die Beamtinnen und Beamten aber bemüht, so diskret wie möglich vorzugehen.
Grundsätzlich ist für eine Durchsuchung ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Im Ausnahmefall – bei Gefahr im Verzug – haben die Ermittlungsbehörden aber eine sog. Eilkompetenz. Das heißt, insbesondere die Staatsanwaltschaft kann im Eilfall die Durchsuchung auch selbst anordnen, wenn eine Richterin oder ein Richter nicht erreichbar ist. In der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis kommen Eilfälle praktisch nie vor und auch in den Übrigen Fällen versuchen die Gerichte, durch die Einrichtung von Bereitschaftsdiensten vorzubeugen.
In der konkreten Durchsuchungssituation ist es meist nicht sinnvoll und zeitlich möglich, die rechtliche Zulässigkeit des Durchsuchungsbeschlusses zu prüfen. Dann geht es natürlich primär darum, die akute Situation sinnvoll zu meistern.
Eine (nachträgliche) Überprüfung kann je nach Einzelfall aber sinnvoll sein, denn das Gesetz stellt bestimmte Anforderungen an den Durchsuchungsbeschluss. Im Grunde geht es darum, dass sich dem Beschluss Rahmen und Ziel der Durchsuchung entnehmen lassen müssen. Zu diesem Zweck wird der Beschluss im Idealfall eine Schilderung des Tatvorwurfs enthalten, die wesentlichen Verdachtsmomente darlegen und jedenfalls eine grobe Beschreibung der Beweismittel enthalten, die die Ermittlungsbehörden zu finden hoffen.
Wie verhalten Sie sich richtig im Rahmen einer Durchsuchung?
Wenn es um eine Durchsuchung geht, werden primär Beamtinnen und Beamte der Polizei oder Staatsanwaltschaft involviert sein. Je nach Sachverhalt können bspw. aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzbehörden bzw. der Steuerfahndung, des Zolls, der Bankenaufsicht oder der Kartellbehörden vor der Tür stehen.
Unabhängig davon, wer die Maßnahme durchführt: Die Durchsuchung ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten und sorgt oft für reichlich Unruhe im Unternehmen oder Zuhause. Hinzu kommt, dass die Beamtinnen und Beamten häufig schon früh morgens erscheinen werden. Nicht ohne Grund ist im Englischen von „dawn raids“ die Rede.
Betroffenen ist zu empfehlen, sich nicht überrumpeln zu lassen und, so gut es geht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine gute Vorbereitung auf den Ernstfall kann Betroffene in einer solchen Situation davor bewahren, unter dem Eindruck des Geschehens Nachteile zu erleiden, die später nicht mehr ausgemerzt werden können.
Bei der Durchsuchung im Unternehmen beginnt die richtige Vorbereitung und Begleitung der Maßnahme schon am Empfang. Idealerweise ist dort eine Liste mit internen und externen Ansprechpersonen hinterlegt, die sofort informiert werden sollen. Dazu gehören auf Strafrecht spezialisierte Anwältinnen und Anwälte und die konkret festzulegenden internen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.
Man sollte sich zudem unbedingt den Durchsuchungsbeschluss zeigen und von der beauftragten Anwältin/dem Anwalt prüfen lassen. Zum einen können Sie dem Beschluss zunächst die Antwort auf eine der wichtigsten Fragen entnehmen: ob Sie Beschuldigte(r) oder Dritte(r) sind. Zum anderen kann der Durchsuchungsbeschluss Ihnen Auskunft darüber geben, auf welche Räume, Unterlagen etc. die Durchsuchung ggf. beschränkt ist. Da auch Zufallsfunde, die nicht den konkreten Durchsuchungsgegenstand betreffen, regelmäßig verwertbar sind, ist es ratsam, den Umfang des Durchsuchungsbeschlusses genau zu prüfen. Auch das Datum des Durchsuchungsbeschlusses sollte überprüft werden, dieser verliert nach sechs Monaten ohne Vollzug seine Gültigkeit, was aber praktisch selten vorkommt.
Zudem wird sich in der Regel eine Einsatzleiterin oder ein Einsatzleiter unter den Durchsuchungspersonen befinden. Hier sollte man sich den Dienstausweis zeigen lassen, Name und Dienststelle notieren. Sie können und sollten die Beamtinnen und Beamten bitten, mit dem Beginn der Durchsuchung bis zum Eintreffen des Rechtsbeistands zu warten. Es gibt zwar kein Recht darauf, mit der Durchsuchung zu warten, in der Praxis sind die Ermittlungspersonen jedoch häufig recht entgegenkommend, weil durch die Anwesenheit von Anwältinnen und Anwälten die Durchsuchung professionell begleitet wird.
Während der Durchsuchung sollte man sich stets professionell verhalten. Eine Kooperation oder gar Mithilfe ist im Strafverfahren grundsätzlich nicht verpflichtend – man muss die Maßnahme lediglich über sich ergehen lassen. Gerade für Unternehmen bietet sich die Kooperation mit den Ermittlern in den meisten Fällen regelmäßig an.
Auch wenn Sie sich vielleicht instinktiv direkt vor Ort zum Tatvorwurf äußern möchten, ist die Hektik der Durchsuchung nicht der richtige Rahmen, um eine Aussage zu machen. Daher ist grundsätzlich anzuraten, soweit rechtlich zulässig, zunächst keine Erklärungen abzugeben oder Fragen zu beantworten, solange nicht Rücksprache mit den beratenden Anwältinnen und Anwälten gehalten werden konnte. Beschuldigte haben ohnehin das Recht, die Aussage zu verweigern. Potenzielle Zeuginnen und Zeugen sollten die Gelegenheit wahrnehmen, eine Anwältin/einen Anwalt als Zeugenbeistand hinzuzuziehen.
Während der Durchsuchung werden in aller Regel Dokumente und Unterlagen sowie Daten sichergestellt und unter Umständen beschlagnahmt. Dies kann in Wirtschaftsstrafverfahren enorme Ausmaße annehmen. Dazu gehören üblicherweise auch riesige Datenmengen, einschließlich E-Mails, Chatverläufen, gespeicherten Dokumenten, etc., die von den Beamtinnen und Beamten sichergestellt und gesichtet werden. Wichtig ist hier, genau zu prüfen, dass nur solche Daten betroffen sind, die auch vom Durchsuchungsbeschluss erfasst sind. Sind besonders große Datenmengen oder komplexe Systeme betroffen, stellt dies oft auch die (hauseigene) IT vor Herausforderungen. Dies gilt insbesondere, wenn Daten wiederhergestellt werden müssen, was mehrere Wochen Arbeitsaufwand bedeuten kann. Daher ist es mittlerweile üblich geworden, in großen Wirtschaftsstrafverfahren Vereinbarungen über die zu liefernden Daten mit der Ermittlungsbehörde zu treffen.
Wichtig ist, keine Unterlagen verschwinden zu lassen oder zu löschen. Das kann eine Strafvereitelung darstellen oder ein Indiz für Verdunkelungsgefahr sein, was z.B. zu einer Verhaftung von Beschuldigten führen kann und nützt am Ende niemandem.
Von den Behördenvertreterinnen und -vertretern wird zu den sichergestellten Unterlagen und Daten ein Sicherstellungsverzeichnis angefertigt, in dem diese aufgeführt werden. Man sollte gemeinsam mit den beratenden Anwältinnen und Anwälten genau prüfen, dass alles vollständig erfasst wird und auch so bezeichnet wird, dass man nachvollziehen kann, welche Unterlagen oder Datenträger von der Sicherstellung umfasst sind. Um den Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten zu können, ist es wichtig, dass man versucht, die sichergestellten Unterlagen zu kopieren. Nicht immer wird das noch vor Ort möglich sein. Ggf. kann man diese im Nachgang der Durchsuchung in Kooperation mit den Ermittlungsbehörden einscannen lassen. Elektronische Daten können dagegen verhältnismäßig einfach gespiegelt bzw. kopiert werden.
Wichtig ist, dass in aller Regel auf dem Sicherstellungsverzeichnis vorsorglich der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme widersprochen wird und die Daten und Unterlagen nicht freiwillig herausgegeben werden. Dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen und für spätere Rechtsbehelfe empfehlenswert.
Die Durchsuchung ist beendet, wenn die Durchsuchungsbeamtinnen und -beamten durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen, dass die Maßnahme abgeschlossen ist. Dann ist auch der Durchsuchungsbeschluss „verbraucht“. Es ist allerdings auch möglich, die Durchsuchung zu unterbrechen. Durchsuchungen vor Ort können manchmal mehrere Tage dauern. Besonders zu erwähnen ist zudem, dass auch die Durchsicht von Unterlagen und elektronischen Speichermedien im Nachgang zum eigentlichen Durchsuchungstag nach § 110 StPO noch zur Durchsuchung gehört.
Im Nachgang einer Durchsuchung bietet es sich an, eine Besprechung mit der Belegschaft durchzuführen und die Umstände – sofern juristisch sinnvoll – zu kommunizieren und ggf. die erforderlichen nächsten Schritte zu koordinieren. Dann kann auch über Rechtsbehelfe entschieden werden. In der Praxis wird darauf häufig aus verschiedenen Gründen verzichtet. Dies sollte im Einzelfall nach Beratung mit den Anwältinnen und Anwälten entschieden werden.
Wie können Sie sich präventiv auf den Ernstfall vorbereiten?
Idealerweise sollte man eine Durchsuchung nicht erst vorbereiten, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Ist bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wird es oft schon zu spät für Präventivmaßnahmen sein, da die anstehende Durchsuchung in der Regel natürlich nicht im Vorhinein angekündigt wird. Daher sollte eine gute Durchsuchungsprophylaxe Teil Ihres Compliance Management Systems sein.
Dabei sind insbesondere die beratenden Anwältinnen und Anwälte, die internen Ansprechpartnerinnen und -partner und etwaige Verhaltensregeln festzulegen. Zudem sollten Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiv auf eine derartige Situation durch Schulungen vorbereiten. Dazu sollte auch gehören, sie über ihre Rechte als potenzielle/r Zeugin/Zeuge oder Beschuldigte/r aufzuklären.
Fazit
Eine Durchsuchung ist eine Extremsituation für alle Beteiligten. Insbesondere bei Durchsuchungen im Unternehmen mulitpliziert sich diese Wirkung, da zumeist eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern involviert ist. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, eine Durchsuchungsprophylaxe in das eigene Compliance Management System zu integrieren. Dann sind Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Ernstfall gut gewappnet.
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