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Handlungsfähig in der Krise: Compliance Coaching für Manager unter Verdacht

Dorette Segschneider, Dipl.-Betriebswirtin und Geschäftsführerin nemec-tv GmbH. Sie ist seit über 20 Jahren als Executive Sparringspartner, Trusted Advisor und Task Force für Unternehmer, Vorstände, Geschäftsführer und Partner aus Sozietäten tätig. Sie ist Lehrbeauftragte an der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften in Mainz und Autorin u.a. des Buches ‚Balanceakt Compliance‘, das im fazbuch-Verlag erschienen ist. Dorette Segschneider gilt als führende Expertin für Compliance Coaching.
Führungskräfte, die unter Verdacht geraten, gegen Compliance-Vorschriften verstoßen zu haben, stehen zunächst vor einem juristischen Problem, im schlimmsten Fall sogar vor einem Strafverfahren. Gleichzeitig müssen sie in ihrer Rolle als Managerinnen und Manager handlungsfähig bleiben und ihre Führungsaufgabe wahrnehmen. Die wirtschaftlichen und juristischen Hürden zu nehmen und gleichzeitig die Konsequenzen eines Strafverfahrens, die bis in das Privatleben hinein reichen, zu bewältigen, stellt eine große Herausforderung dar. Oft bleibt Betroffenen nur noch begrenzter Raum zum Handeln, wenn das Gehirn aus Angst in den Krisenmodus umschaltet: fight, flight oder freeze. Dr. Christian Rosinus und Dorette Segschneider diskutieren, wie es zu Handlungsblockaden kommen kann, welche Verhaltensmuster einige Betroffene zeigen und wie Compliance Coaching Betroffenen helfen kann, Wege aus der Krise zu finden.
Für Unternehmen und Führungskräfte die unter Verdacht compliancewidrigen Verhaltens geraten, stellen sich zahlreiche juristische und wirtschaftliche Fragen. Hinzu kommt , dass die laufenden Managementaufgaben bewältigt werden müssen. Der psychische Druck, der in solchen Situationen auf Betroffenen und deren Umfeld lastet, kann enorm sein, insbesondere wenn es zur Einleitung eines Strafverfahrens kommt.
Beim Versuch, effektive Verteidigung im Strafverfahren, Handlungsfähigkeit im Beruf und den optimalen Umgang mit der Situation gegenüber Familie und persönlichem Umfeld zu bewältigen, kann es schnell zu Überforderung und Handlungsblockaden kommen. Dieser Zielkonflikt kann es Betroffenen schwermachen, das bestmögliche Ergebnis im Strafverfahren zu erreichen.
Für einige Betroffene führt die Konfrontation mit einem gegen sie gerichteten Verdacht sogar so weit, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind. Compliance Coaching kann hier bereits präventiv ein wichtiger Beitrag zur Krisenbewältigung sein oder Wegweiser in einer akuten Verdachtssituation.
Wie verhalten sich Betroffene, die unter Verdacht geraten sind?
Das Spektrum von Reaktionen Betroffener, die unter Verdacht geraten sind, gegen Compliance-Regeln verstoßen zu haben, ist breit. Hinzu kommt, dass sich ein Verdacht häufig nicht bewahrheitet und auch Unschuldige „ins Visier“ geraten und dennoch mit den Belastungen eines Strafverfahrens umgehen müssen.
Die meisten Betroffenen reagieren eher entspannt und bleiben auch unter Verdacht handlungs- und aufnahmefähig. Einige sind dagegen nicht in der Lage, in der Extremsituation souverän zu agieren. Konfrontiert mit Verdachtsmomenten oder gar einem Strafverfahren, schaltet das Gehirn meist intuitiv in angstgetriebene Denk- und Verhaltensmuster um: freeze, fight oder flight. Einige Betroffene reagieren mit Schock und Überforderung, wodurch ihnen keine Handlungsmöglichkeit verbleibt. Sie wissen weder vor noch zurück, sind also im freeze-Zustand. Andere wiederum sind voller Tatendrang und begegnen den Vorwürfen mit Angriffen – sie sind im fight-Modus. Viele Verdachtsmomente treffen zudem Unschuldige, die sich zu Recht aktiv gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen wollen. Wiederum andere verfallen in ein Verhaltensmuster, das man als Verleugnung oder Flucht bezeichnen könnte – flight-Modus. Sie gestehen sich etwaige Schuld, soweit an dem Verdacht tatsächlich etwas „dran“ ist, allenfalls zurückhaltend oder gar nicht ein und neigen dazu, die Realität zu leugnen. Fällt der Betroffene auf eine dieser angstgetriebenen Reaktionen zurück, ist eine konstruktive Bearbeitung des Falles erschwert.
Raus aus der Schockstarre: Wie können Betroffene ihre Handlungsfähigkeit zurückerlangen?
Was können Betroffene in einer solchen Situation tun, um trotzdem einen kühlen Kopf zu bewahren? Das hängt natürlich von der individuellen Situation ab. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Stress und Anspannung das innere Angstsystem befeuern und damit unser Emotionsmanagement, den sogenannten Präfrontalen Cortex, lahmlegen. Die Folge: unsere Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt. Ein strategisch kluges Agieren im Strafverfahren ist im Zustand der eingeschränkten Handlungsfähigkeit kaum möglich. Vor diesem Hintergrund können Betroffene bereits präventiv gegensteuern und gezielt Techniken trainieren, um die Handlungsfähigkeit auch in Krisensiutationen zu gewährleisten. Compliance Coaching kann dabei helfen, die individuell passende Strategie zu finden und nachhaltig zu implementieren.
Im optimalen Fall trainieren ManagerInnen regelmäßig ihren Emotionsmanager im Kopf – als präventive Maßnahme für den strafrechtlichen Ernstfall. Wer jedoch „untrainiert“ in einem Compliance-Verfahren in einen freeze-Zustand gerät, muss die eigene Handlungsfähigkeit z.B. über Mentaltechniken zurückerlangen. Spätestens dann ist es allerdings oft sinnvoll, externe Hilfe und Unterstützung zu suchen. Hier kann ein Compliance Coach ansetzen und Betroffenen aktiv helfen, schädliche Denkmuster aufzulösen.
Ziel des Compliance Coaching ist es in diesen Fällen im ersten Schritt, die Selbstwahrnehmung zu fördern, um dann das Selbstmanagement wieder zu aktivieren. Um dem Gefühl der Ohnmacht zu begegnen, werden dazu zunächst Felder identifiziert, in denen der Betroffe ein Gefühl der Handlungsunfähigkeit erlebt (Selbstwahrnehmung). In einem zweiten Schritt werden im Coachingprozess mögliche Lösungs- und Handlungsideen erarbeitet (Selbstmanagement). Der Compliance Coach unterstützt den Betroffenen dabei, den Wechsel von der Opferrolle in eine proaktive Rolle zu schaffen. Der Perspektivwechsel bewirkt, dass sich Blockaden lösen und ist für viele Betroffene ein Befreiungsschlag.
Compliance Coaching lohnt sich!
Insbesondere zum Thema Mentaltechniken bietet sich online eine schier endlose Fülle an Coaching-Videos und Anleitungen, die man sich in Eigenregie antrainieren kann. Allerdings kann ein Compliance Coach als neutrale Person eine extrem große Stütze sein, indem sie über Mentaltechniken hinaus Handlungsoptionen entwickelt, diese an der Seite des Betroffenen aktiv begleitet und den Betroffen dadurch aus dem freeze-Zustand zurück in seine Handlungsfähigkeit bringt. Der Mehrwert eines Compliance Coaches, der das Vorgehen auf die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen abstimmen und effizient umsetzen kann, ist enorm.
Welche Strategie für den Umgang mit Familie, Freunden und anderen Betroffenen?
Obwohl intuitiv viele Betroffene dazu tendieren, die sich abzeichnende Krise von Familie und Freunden fernzuhalten, ist Schweigen – jedenfalls im engsten Familienkreis – häufig die falsche Strategie. Hierdurch erhöht sich lediglich der eigene Druck und die Scham, wenn das Geschehene irgendwann ans Licht kommt. Da sich eine Verdachtssituation oder ein laufendes Strafverfahren stark auf die persönlichen Bindungen des Betroffenen auswirken kann, sind Ansprechbarkeit und Transparenz – im Rahmen des juristisch Sinnvollen – ganz wesentliche Faktoren bei der Krisenbewältigung. Transparenz schafft großes Vertrauen und Verbundenheit mit Familie und anderen nahestehenden Personen, die der Betroffene gerade in einer solchen Situatuon braucht. Wie die Kommunikation bestenfalls ablaufen sollte, ist Einzelfallfrage und hängt zudem stark davon ab, ob und in welchem Maß das Vorgefallene bereits Außenwirkung erlangt hat, bspw. durch Medienberichte. Bei dieser sensiblen Entscheidung kann – neben der juristischen Beratung – die Beratung durch einen Compliance Coach helfen, die richtige Weichenstellung zu schaffen.
Fazit
Der Umgang mit Verdachtsfällen und Strafverfahren bei Compliance-Verstößen ist nervenaufreibend. Um einen kühlen Kopf zu bewahren, müssen Betroffene inneren Denkprozesse wahrnehmen und schädliche Reaktionsmuster durchbrechen. Die dafür notwendigen Strategien und die Unterstützung bieten Compliance Coaches.
Auch Unternehmen selbst können ihren Beitrag leisten, Unternehmensführung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Verdachtssituationen zu schützen. Die Implementierung eines funktionierenden Compliance-Systems ist ein wichtiger Baustein, um Verstöße und (strafrechtliche) Konsequenzen zu vermeiden. Damit Compliance-Richtlinien aber keine leeren Hüllen bleiben, müssen sie von der Unternehmenskultur und den Werten und Verhaltensweisen der Unternehmensführung mitgetragen werden – Tone from the Top!
Was kann passieren? Wichtige Konsequenzen aus Wirtschaftsstraftaten
Sanktionen aufgrund von Wirtschaftsstraftaten gibt es viele und die drohenden Haftungsfallen sind zahlreicher als man vermuten würde. Insbesondere für Unternehmen und Geschäftsführungsorgane ist es wichtig, das Spektrum potenzieller Haftungsfolgen zu kennen, um sich präventiv entsprechend absichern zu können.
Die Folgen von Ermittlungs- und Strafverfahren können Beteiligte auf verschiedenen Ebenen treffen. Vereinfacht kann man auf einer ersten Stufe zwischen den unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen und den mittelbaren Folgen unterscheiden. Diese unmittelbaren Konsequenzen treffen sowohl involvierte natürliche Personen, d.h. Geschäftsführungsorgane, Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als auch die Unternehmen selbst.
Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass sich nur natürliche Personen strafbar machen können. Juristische Personen können nach aktueller Gesetzeslage insbesondere in der Position einer Nebenbeteiligten in das Verfahren eingebunden sein. Zusätzlich ist die Verhängung einer Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG gegen das Unternehmen selbst möglich. Dieser status quo könnte sich in nicht allzu ferner Zukunft aufgrund der geplanten Einführung des Verbandssanktionengesetzes ändern.
Was kann passieren, wenn wegen Wirtschaftsstraftaten ermittelt wird?
Bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kann für die Beteiligten mit erheblichen Nachteilen verbunden sein – sogar dann, wenn es gar nicht zu einer Verurteilung kommt.
Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens braucht es (nur) einen Anfangsverdacht. Die gesetzlichen Anforderungen an diesen sind nicht allzu hoch und lassen den Ermittlungsbehörden etwas Spielraum. Nicht jeder Anfangsverdacht erhärtet sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens. Tatsächlich können die Verdachtsmomente in vielen Fällen frühzeitig ausgeräumt werden. Bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen sind jedoch Durchsuchungen sowohl der Geschäftsräume des Unternehmens als auch der privaten Wohnräume der beschuldigten Individualpersonen möglich. Häufig kommt ist die Durchsuchung verbunden mit Sicherstellungen und Beschlagnahmen.
Ermittlungsbehörden machen von diesen Maßnahmen regelmäßig Gebrauch, und das nicht immer in einer geräuschlosen Art und Weise, wie die einschlägigen Berichte in der Tagespresse anschaulich belegen. Werden wichtige Geschäftsunterlagen oder Daten sichergestellt bzw. beschlagnahmt, kann sich die Ermittlungsmaßnahme außerdem einschneidend auf den laufenden Geschäftsbetrieb auswirken. Hierauf sollten Unternehmen vorbereitet sein. Auch Vermögenswerte wie beispielsweise Kontoguthaben können sowohl bei Privatpersonen als auch bei Unternehmen arrestiert, d.h. vorläufig eingefroren, werden und stehen unter Umständen über mehrere Monate nicht zur Verfügung.
Besteht ein dringender Tatverdacht, kann die Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn zusätzlich ein sog. Haftgrund wie beispielsweise Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegt. Im schlimmsten Fall kann sich die Untersuchungshaft über mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre erstrecken, trotz strafverfahrensrechtlichem Beschleunigungsgrundsatz.
Selbst bei dringendem Tatverdacht gilt die Unschuldsvermutung. In der öffentlichen Meinung kommt der Schuldspruch dagegen oft lange vor einer eventuellen rechtskräftigen Verurteilung. Die Rufschäden, die bereits zu diesem Zeitpunkt durch Presseberichte u.ä. entstehen können, sind evident und unter Umständen unumkehrbar – ganz gleich, ob es später zu einer Verurteilung kommt oder nicht. In der öffentlichen Wahrnehmung sind Unternehmen dabei meist viel stärker betroffen als die beschuldigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Trotzdem können die Auswirkungen auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv sein. Die Erfahrung zeigt, dass der bloße Verdacht von Straftaten schon viele Geschäftsleitungsorgane und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Job gekostet hat.
Was droht, wenn die Ermittlungen zum Abschluss kommen?
Im besten Fall nichts. Dann wird das Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt. Tatsächlich enden statistisch die meisten Strafverfahren auf diese Weise. Insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht enden viele Verfahren auch mit der Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage. Die Höhe der Geldauflage orientiert sich meist am Einkommen oder am entstandenen Schaden.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist das Verfahren damit endgültig beendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt die Unschuldsvermutung für die Beschuldigten nach der endgültigen Verfahrenseinstellung weiter.
Besonders unangenehm wird es, falls das Verfahren nicht durch eine Vefahrenseinstellung, sondern durch einen Strafbefehl oder sogar ein Urteil nach öffentlicher Hauptverhandlung beendet wird. Dann stehen Geld- und auch Freiheitsstrafen im Raum. Für die meisten wirtschaftsstrafrechtlichen Delikte gilt ein Strafrahmen von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Je nach Tatbestand kann die Strafrahmenobergrenze aber auch bei Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren liegen. Hinzu kommen unter Umständen weitere Nebenfolgen, wie z.B. die Einziehung von Taterträgen oder die Verhängung eines Berufsverbots.
Welche Sanktionen kommen auf Unternehmen zu?
Besonders relevant für Unternehmen ist die Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG. Diese knüpft regelmäßig an die Pflichtverletzung einer Leitungsperson an, sei es weil diese ihre Aufsichtspflicht verletzt hat oder selbst Straftaten begangen hat. Die Verbandsgeldbuße setzt sich aus einem Sanktions- und einem Abschöpfungsteil zusammen und kann einen substantiellen Betrag erreichen: Während der Sanktionsteil auf einen Betrag von maximal EUR 10 Millionen je Tat beschränkt ist, kann der Abschöpfungsteil dazu führen, dass die Verbandsgeldbuße insgesamt diese Grenze um ein Vielfaches übersteigt. Bereits ab einem Betrag von EUR 200 wird eine Verbandsgeldbuße zudem ins Gewerbezentralregister eingetragen.
Statt einer Verbandsgeldbuße kann unter Umständen auch eine Einziehung in Betracht kommen. Sowohl der Abschöpfungsteil der Verbandsgeldbuße als auch der eingezogene Betrag können unter Umständen steuerlich geltend gemacht werden. Eine genaue Prüfung kann sich daher lohnen.
Welche mittelbaren Konsequenzen kann die Beteiligung an Wirtschaftsstraftaten haben?
Als mittelbare Konsequenzen sind insbesondere der Ausschluss von Ausschreibungen oder zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zu nennen, die sich gegen das Unternehmen selbst oder die handelnde Person richten können. Auch bei haftungsbeschränkten Gesellschaften kann es unter Umständen zur Durchgriffshaftung kommen, d.h. dem Durchgriff auf das private Vermögen der Leitungsorgane.
Darüber hinaus können bei Korruptionssachverhalten mittelbare Konsequenzen auf steuerlicher Ebene drohen: Ist es zu Schmiergeld- oder Bestechungszahlungen gekommen, muss unter Umständen die Steuererklärung korrigiert und eine entsprechende Nachzahlung geleistet werden. Andernfalls begehen die zuständigen Leitungsorgane eine Steuerhinterziehung bzw. Steuerverkürzung und stolpern gleich in den nächsten Haftungsfall.
Spätestens bei einer Verurteilung, häufig schon früher, steht für Geschäftsführungsorgane und betroffene Personen der Verlust der öffentlich-rechtlichen (insbesondere aufsichtsrechtlichen oder gewerberechtlichen) Zuverlässigkeit auf dem Spiel. Welche Kreise der Verlust der Zuverlässigkeit ziehen kann, ist den Beteiligten oft nicht bewusst. Für Organe und Mitarbeiter von Finanzinstituten kann sie ein faktisches Berufsverbot bedeuten, wirkt sich aber auch in anderen Lebensbereichen aus. So mancher Mittelständler hat sich schon sehr gewundert, dass plötzlich wegen einer Steuerhinterziehung der Jagdschein entzogen wurde.
Fazit
Das Spektrum potenzieller Strafen und nachteiliger Nebeneffekte aus Wirtschaftsstraftaten ist breit. Unternehmen und Führungskräfte sollten daher auf den Ernstfall vorbereitet sein, indem sie entsprechende Prophylaxe betreiben, etwa durch den Abschluss sinnvoller Versicherungen (z.B. D&O-Versicherung) und eine Richtlinie für das Verhalten bei Durchsuchung und Beschlagnahme. Mit rechtzeitiger Beratung und der richtigen Strategie gelingt es häufig, mögliche Sanktionen gering zu halten.
Das neue Verbandssanktionengesetz
Im Wirtschaftsstrafrecht ist regelmäßig einiges in Bewegung, doch wenn der Gesetzgeber ein ganzes Haftungsregime umkrempelt, schlägt das ungewohnt hohe Wellen. Die Rede ist von dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft, den die Bundesregierung am 16. Juni 2020 präsentiert hat und der voraussichtlich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Hinter dem blumigen Namen verbirgt sich ein Gesetzentwurf, der es in sich hat.
Im Zentrum des Entwurfs steht das viel diskutierte Verbandssanktionengesetz („VerSanG“). Konkret geht es um die Einführung einer eigenständigen Verbandssanktion, die gegen das Unternehmen festgesetzt werden kann, wenn es zu Kriminalität von Leitungspersonen oder Mitarbeitern kommt. Auch wenn der Gesetzentwurf noch einige Fragen offen lässt, steht eines bereits fest: Der Druck auf Unternehmen steigt. Wird der Entwurf gesetzliche Realität, wird es einschneidende Veränderungen im Bereich der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität in Deutschland geben. Der Gesetzentwurf betrifft potenziell Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige und wird nicht nach Mittelstand oder Großkonzern differenzieren. Welche Sanktionsrisiken kommen nun auf Unternehmen zu? Und wie können Unternehmen sich bestmöglich darauf vorbereiten, dass es dieses Gesetz irgendwann geben wird?
Wozu ein neues Verbandssanktionenrecht?
Die Idee eines VerSanG ist nicht neu. Tatsächlich steht Deutschland als eines der wenigen Länder ohne eigenes Unternehmensstrafrecht im internationalen Vergleich ziemlich isoliert da. Spätestens die jüngsten großen Wirtschaftsskandale haben das Thema auch hierzulande in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt und die Politik auf den Plan gerufen.
Zwar gibt es bereits nach aktueller Gesetzeslage Möglichkeiten, Unternehmenskriminalität zu ahnden: Sowohl die Festsetzung einer Verbandsgeldbuße über § 30 OWiG als auch die Abschöpfung von aus Straftaten erlangten Erträgen im Wege der Einziehung kommen in Betracht. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist weder das eine noch das andere eine angemessene Antwort auf Unternehmenskriminalität. Der Strafrahmen des § 30 OWiG von bis zu EUR 10 Millionen reiche nicht aus und treffe mittelständische Unternehmen ungleich härter als Großkonzerne. Korrekturbedarf sieht der Gesetzgeber außerdem aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Opportunitätsprinzips. Danach bleibt es den Verfolgungsbehörden überlassen, zu entscheiden, ob sie eine entsprechende Tat verfolgen wollen oder nicht. Das VerSanG sieht stattdessen das sogenannte Legalitätsprinzip vor. Das heißt, bei entsprechender Verdachtslage muss die Behörde die Verbandstat verfolgen. Damit steht ein Paradigmenwechsel an, der sowohl auf Seiten der Behörden als auch bei Unternehmen und Beratern vermehrt Kapazitäten binden wird.
Hinzu kommt, dass im deutschen Recht bisher keine gesetzlichen Anreize für Compliance und Aufklärungsbemühungen des Unternehmens existieren. Praktisch werden diese schon heute strafmildernd berücksichtigt, eine klare gesetzliche Vorgabe gibt es hierfür jedoch nicht.
Verband und Verbandsverantwortlichkeit nach dem VerSanG
Verbände im Sinne des VerSanG sind juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§§ 1, 2 VerSanG). Obwohl dieser letzte Halbsatz recht unscheinbar daher kommt, enthält er eine wichtige Einschränkung des gesetzlichen Anwendungsbereichs: Nicht jede Körperschaft oder Gesellschaft kann über das Verbandssanktionengesetz sanktioniert werden, sondern nur jene, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolgen.
Eine Verbandssanktionen kann verhängt werden für Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG). Als Anknüpfungstat kommen sowohl Straftaten von Leitungspersonen in Betracht als auch das Handeln sonstiger Mitarbeiter, wenn diese in der Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands tätig geworden sind und Leitungspersonen durch angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten die Tat hätten verhindern oder wesentlich erschweren können (§ 3 Abs. 1 VerSanG). Als angemessene Vorkehrungen in diesem Sinne spielen insbesondere Auswahl, Organisation, Anleitung und Aufsichtsmaßnahmen eine Rolle.
Mit welchen Verbandssanktionen müssen Unternehmen rechnen?
Das VerSanG sieht einen ganzen Strauß an möglichen Sanktionen vor. Zentral ist die Verhängung einer Verbandsgeldsanktion zu nennen (§§ 8, 9 VerSanG). Grundsätzlich gilt: Für Vorsatztaten kann eine Verbandsgeldsanktion in Höhe von bis zu zehn Prozent des Konzernjahresumsatzes festgesetzt werden. Bei Fahrlässigkeitstaten reduziert sich die Obergrenze auf fünf Prozent. Dabei liegt der Berechnung der gesamte, weltweite Konzernjahresumsatz zugrunde. Die potenziellen Haftungssummen sind folglich immens und auch nicht zwingend gerecht. Ein hoher Umsatz sagt schließlich nichts über die Höhe des daraus erzielten Gewinnes aus.
Um mehr Flexibilität zu ermöglichen, sieht das VerSanG die Möglichkeit vor, die Verbandsgeldsanktion auszusetzen, insbesondere im Wege einer Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt (§§ 10 ff. VerSanG). Der Sanktionsvorbehalt wirkt wie eine Bewährung für den Verband. Die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt kann außerdem von Auflagen oder Weisungen wie der Schadenswiedergutmachung flankiert oder mit der Einsetzung einer fachkundigen Stelle als eine Art Monitor verbunden werden – ein Prinzip, dass sich in den USA bereits bewährt hat.
Eine weitere mögliche Sanktion, die in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen sein dürfte, ist die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes bei einer großen Zahl von Geschädigten (§ 14 VerSanG). Obwohl die Bekanntmachung primär der Information von Geschädigten dienen soll, sind die drohenden Reputationsschäden durch ein solches naming and shaming evident.
Welche Faktoren spielen bei der Sanktionszumessung eine Rolle?
Neben klassischen Strafzumessungsfaktoren wie Ausmaß, Dauer und Folgen der Tat sind nach dem VerSanG Compliance-Bemühungen und Aufklärungsbeiträge des Verbandes ausdrücklich strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG). Die Botschaft des Gesetzes an Unternehmen und Leitungspersonal ist damit eindeutig: Eine effiziente Compliance wird immer wichtiger, mangelnde Compliance wird bestraft. Geschäftsführer und Vorstände sind daher gut beraten, sich intensiv um dieses Thema zu kümmern.
Sowohl präventive Compliance-Maßnahmen als auch Schritte, die der Verband als Reaktion auf eine Verbandstat zur Vermeidung künftiger Verfehlungen trifft, können positiv zugunsten des Verbandes berücksichtigt werden. Allerdings liefert das VerSanG keine konkreten Vorgaben, wie ein solch komplexes Compliance-System ausgestaltet werden soll. Compliance-Verantwortliche und Berater müssen diese regelungstechnische Leerstelle vorerst überbrücken, jedenfalls bis die Rechtsprechung klare und messbare Anforderungen entwickelt hat.
Etwas konkreter wird der Gesetzgeber bei der Berücksichtigung verbandsinterner Untersuchungen (§ 17 VerSanG). Erfüllt die verbandsinterne Untersuchung den vom VerSanG formulierten Standard, winkt den Unternehmen eine Milderung des Höchstmaßes der Sanktion um die Hälfte. Auch eine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung lässt sich auf diesem Weg vermeiden. Dafür verlangt das VerSanG u.a. eine ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden. Unternehmen bleibt vor diesem Hintergrund wenig Spielraum. Wollen sie in den Genuss der Milderung kommen, ist der Preis vollständige Transparenz und Kooperationsbereitschaft.
Insbesondere zwei der zahlreichen Anforderungen in § 17 VerSanG fallen auf: das Auskunftsverweigerungsrecht bei (Mitarbeiter-)Interviews und die Trennung von Verteidigung und Untersuchungsführung.
Die Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht regelmäßig im Zentrum jeder internen Untersuchung. Nach (noch) herrschender Meinung sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitsrechtlich verpflichtet, zur Aufklärung beizutragen, auch wenn sie sich gegebenenfalls selbst belasten müssten. Das VerSanG knüpft die 50%-Milderung an die Einhaltung der fair trial Grundsätze. Das bedeutet, dass Befragten zukünftig ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht einzuräumen ist, wenn sie sich oder Angehörige bei wahrheitsgemäßer Beantwortung belasten müssten.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass die interne Untersuchung nicht von den Verteidigern des Verbands oder eines Beschuldigten durchgeführt werden darf. Obwohl die Trennung in der Praxis durchaus sinnvoll ist, bedeutet sie für viele Verbände einen doppelten Aufwand: Neben einer Anwaltskanzlei, die die Vertretung gegenüber der Behörde übernimmt, benötigt der Verband zusätzlich eine weitere Anwaltskanzlei oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welche die interne Untersuchung durchführt.
Aufklärungsbemühungen können auch dann strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sie hinter diesen Anforderungen zurückbleiben (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 7 VerSanG). Unklar ist jedoch, in welcher Höhe.
Was können Unternehmen tun, um sich optimal auf das Gesetz vorzubereiten?
Dass das VerSanG eher früher als später kommen wird, scheint sicher. Der Gesetzgeber gewährt aber eine „Gnadenfrist“: Um den Verbänden Gelegenheit zu geben, sich auf die neue Rechtslage einzustellen, wird das VerSanG erst zwei Jahre nach Verkündung in Kraft treten. Diese Zeit sollten Verbände und Compliance-Verantwortliche sinnvoll nutzen, um existierende Compliance-Systeme einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen und auf eventuelle Schwachstellen zu testen. Eine gründliche Risikoanalyse und Schulung der Mitarbeiter müssen Priorität haben. Führungskräfte dürften hieran auch ein eigenes Interesse haben, denn es drohen nicht unerhebliche Haftungsrisiken, wenn sie die Implementierung eines angemessenen Compliance-Systems unterlassen.
Fazit
Trotz dieser vermeintlich düsteren Aussichten sollten Unternehmen nicht die Gelegenheit versäumen, das VerSanG als Chance zu begreifen, um die Integrität im Unternehmen weiter zu fördern und der Compliance einen neuen Stellenwert einzuräumen.
Staatshilfen und Corona / Covid-19 – Haftungsrisiken vermeiden

Stephan Schwarz, Rechtsanwalt und Diplom-Finanzwirt, ist Gründungspartner der Kanzlei Schwarz & Körner Rechtsanwälte. Er berät seit vielen Jahren Unternehmen und vermögende Privatpersonen in den Bereichen Steuerrecht, Gesellschaftsrecht und Wirtschaftsrecht.
Viele Unternehmen nehmen aufgrund der angespannten Lage im Zusammenhang mit dem Corona-Virus / COVID-19 staatliche Hilfen wie Kurzarbeitergeld, Soforthilfen, Darlehen oder die Stundung von Steuerzahlungen in Anspruch. Zudem wurde die Pflicht zur Stellung von Insolvenzanträgen modifiziert/ausgesetzt. Dr. Christian Rosinus und Stephan Schwarz diskutieren die hiermit verbundenen strafrechtlichen, steuerlichen und zivilrechtlichen Haftungsrisiken und die Möglichkeiten, diese zu vermeiden. Darüber hinaus zeigen sie Handlungsoptionen für den Fall auf, dass schon zu Unrecht Förderungen in Anspruch genommen wurden.
Die Wirtschaftslage in Deutschland steht nach wie vor deutlich im Zeichen von COVID-19. Viele Betriebe kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Unterstützung bekommen sie in vielen Fällen über staatliche Hilfsprogramme. Gleichzeitig kommen mit diesen Fördermitteln Haftungsrisiken auf die Gesellschaft selbst und die Geschäftsführung persönlich zu, auch strafrechtlicher Art. Die Medienberichte über Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Staatshilfen häufen sich bereits. Worauf müssen Unternehmen jetzt achten?
Welche Unterstützungsmaßnahmen stehen krisengebeutelten Unternehmen zur Verfügung?
Die Bundesregierung hat zu Beginn der Corona-Krise zügig reagiert und verschiedene Hilfsprogramme angestoßen, die unbürokratisch zu beantragen und schnell verfügbar sein sollten. Zum Maßnahmenpaket gehören u.a. die einmalige Soforthilfe in Höhe von EUR 10.000,-, die Beantragung von Kurzarbeitergeld und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Dazu kommen verschiedene Förderkredite der KfW. Im steuerlichen Bereich sollen die Stundung von Steuerschulden und die Anpassung bzw. Erstattung von Vorauszahlungen finanzielle Erleichterung verschaffen. Außerdem besteht die Möglichkeit, Ersatz und Entschädigung nach dem Infektionsschutzrecht geltend zu machen, bspw. wenn es aufgrund einer Quarantäneanordnung zu Verdienstausfall kommt (vgl. § 56 IfSG).
Welche Haftungsrisiken drohen Unternehmen und Geschäftsleitung?
Alle Hilfsmaßnahmen haben eins gemeinsam: Sie können nur in Anspruch genommen werden, wenn der Antragsteller unmittelbar und nicht unerheblich von COVID-19 betroffen ist. Für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht heißt das beispielsweise: Nur weil sich der Eintritt der existenzbedrohenden Zahlungsschwierigkeiten mit der Corona-Krise überschneidet, bedeutet das nicht zwingend, dass kein Insolvenzantrag zu stellen ist oder nach gusto Staatshilfen in Anspruch genommen werden können. Die Insolvenz muss ursächlich auf der Pandemiesituation beruhen, andernfalls besteht erhebliches Haftungspotenzial.
Das Haftungsrisiko kann sogar eine strafrechtliche Qualität erreichen und die Liste potenziell zu verwirklichender Straftatbestände ist lang. Neben Steuerdelikten können (Subventions-)Betrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und falsche Versicherung an Eides statt im Raum stehen. Werden z.B. steuerliche Hilfsmaßnahmen beantragt, die zu einer – wenn auch nur vorübergehenden – Verkürzung von Steuern führen, rutschen Verantwortliche schnell in den Bereich der leichtfertigen Steuerverkürzung oder sogar vorsätzlichen Steuerhinterziehung, §§ 370, 378 AO. Fehlerhafte Angaben in Antragsformularen können betrugsrelevant sein. Da es sich bei vielen der Staatshilfen um Subventionen im Sinne des § 264 StGB handelt, steht unter Umständen sogar ein Subventionsbetrug im Raum. Obwohl die strafrechtlichen Haftungsrisiken die individuelle Person betreffen, kann auch das Unternehmen selbst die (finanziellen) Folgen zu spüren bekommen, beispielsweise über eine Geldbuße nach § 30 OWiG oder eine Einziehung.
Nach der Abgabenordnung können Mitglieder der Geschäftsleitung außerdem in die unangenehme Situation geraten, bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten persönlich für einen möglichen Steuerausfall haften zu müssen (§ 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO). In den Anträgen auf Stundung von Steuerschulden wird ausdrücklich auf die Geschäftsführerhaftung hingewiesen – insofern ein deutlicher Fingerzeig der Finanzverwaltung, dass sie der Frage der persönlichen Haftung dann, wenn es wirklich zu endgültigen Steuerausfällen kommt, nachkommen wird.
Wer jetzt denkt, er ist am sichersten unterwegs, wenn er lieber einen großen Bogen um Staatshilfen und Fördermittel macht, ist leider auf dem Holzweg. Die Geschäftsleitung ist gesellschaftsrechtlich verpflichtet, zum Schutz der Gesellschaft Maßnahmen zu beantragen, wenn und soweit diese geboten sind. Bei Untätigkeit droht wiederum die Haftung – eine Gradwanderung für Geschäftsführer.
Wie lassen sich Haftungsrisiken trotz aller Unsicherheiten minimieren?
Eines ist sicher – die Beantragung von Staatshilfen und Fördermitteln kann haftungstechnisch schnell zur Stolperfalle werden. Eine ordentliche Dokumentation der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens muss oberste Priorität haben. Ergeben sich daraus Umsatzeinbußen im Zusammenhang mit COVID-19, die einen Antrag rechtfertigen, kann man guten Gewissens die staatlichen Hilfen beantragen.
Wie zu reagieren ist, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass bei der Beantragung etwas schief gelaufen ist, ist Einzelfallfrage. Die Erfahrung zeigt, dass es grundsätzlich ratsam ist, das Gespräch mit der zuständigen Behörde zu suchen. Oft lassen sich durch frühzeitige Ansprache schlimmere, insbesondere strafrechtliche Folgen vermeiden. Es ist allerdings auch bei eigeninitiativer Offenlegung von Fehlern bei der Beantragung nicht auszuschließen, dass die Behörden mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens reagieren. Darauf sollten Unternehmen vorbereitet sein.
Fazit
Auch nach knapp sechs Monaten sind die ökonomischen Folgen der COVID-19-Pandemie noch nicht in vollem Umfang abzusehen. Die Empfehlung lautet daher, trotz aller Ungewissheiten einen kühlen Kopf zu bewahren und die wirtschaftliche Entwicklung im Unternehmen sorgfältig zu dokumentieren.
Datenschutz in Zeiten von Corona / Covid-19

Dr. Christoph Ritzer ist Rechtsanwalt und Partner bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt. Er ist seit über 10 Jahren auf Datenschutz- und Technologierecht spezialisiert. Er gilt als einer der führenden deutschen Anwälte im Datenschutz und bei der Beratung zu Cyber-Vorfällen.
Die aktuelle Situation rund um das Corona-Virus /Covid-19 wirft zahlreiche ungeklärte Fragen zum Datenschutzrecht auf. Dr. Christian Rosinus und Dr. Christoph Ritzer diskutieren die wichtigsten Fragen rund um den Datenschutz im Home-Office, bei der Nutzung von Videokonferenzsystemen und der Corona-Warn-App. Welche Haftungsrisiken drohen und wie lassen diese sich vermeiden?
Das Datenschutzrecht hat in den vergangenen Jahren viele gesetzliche Neuerungen erfahren, die es stärker ins Blickfeld von Unternehmen und Beratern gerückt haben. Die aktuelle Situation rund um das Corona-Virus wirft zusätzlich zahlreiche ungeklärte Fragen auf, insbesondere zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis und zur Datensicherheit bei Verwendung der Corona-Warn-App der Bundesregierung.
Was müssen Arbeitgeber zum Thema Datenschutz im Arbeitsverhältnis beachten?
Arbeitgeber müssen in diesen Tagen viele Aufgaben parallel bewältigen. Viele sehen sich in der Pandemie unter dem besonderen Druck, den Schutz der Gesundheit ihrer Mitarbeiter mit den Anforderungen des Datenschutzes in Einklang bringen zu müssen. Zum Gesundheitsschutz gehört es auch, Infektionsketten im Betrieb zu identifizieren und durch angemessene Abwehrmaßnahmen zu unterbrechen. Zwangsläufig lässt sich eine solche Infektionsquelle aber nur dann schnell und effizient eindämmen, wenn der infizierte Mitarbeiter auch bestimmt werden kann. Die datenschutzrechtliche Schwierigkeit ist, dass es den Arbeitgeber grundsätzlich nichts anzugehen hat, aus welchem Grund ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Was heißt das nun für Mitarbeiter mit positiver COVID-19-Diagnose? Ist der Arbeitgeber über ein positives Testergebnis zu informieren? Und dürfen die Kollegen über das Ansteckungsrisiko informiert werden?
Der Ton der Deutschen Behörden ist an dieser Stelle relativ klar: Datenschutz soll einer wirksamen Eindämmung dieser Pandemie nicht im Wege stehen. Die Datenverarbeitung kann im Rahmen der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht erfasst sein und ist somit eine Verarbeitung für Beschäftigungszwecke. Gegenüber Besuchern oder anderen Dritten im Unternehmen besteht diese arbeitsvertragliche Anknüpfung allerdings nicht. Hier ist zu raten, sich eine entsprechende schriftliche Einwilligung in die Datenverarbeitung erteilen zu lassen. Egal ob Arbeitnehmer oder Dritte, die Datenverarbeitung unterliegt einer strengen Zweckbindung. Auch nach außen hin sind die Daten vor unbefugten Zugriffen zu schützen, insbesondere über angemessene technisch organisatorische Maßnahmen.
Wie kann Datenschutz im Homeoffice funktionieren?
Unter datenschutzrechtlichen Aspekten kann das Arbeiten im Homeoffice zum Risikofaktor werden. Der Datenschutz bei der Verwendung von Webkonferenz-Systemen sowie der Arbeit mit vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen „am Küchentisch“ ist ein Thema. Wie gelingt es, eine vertrauliche Arbeitsumgebung in den eigenen vier Wänden zu schaffen?
Bei der Verwendung von Webkonferenz-Software ist die Empfehlung der Datenschutzbehörden, auf eine sorgfältige Ende zu Ende Verschlüsselung zu achten. Wird eine Cloud-basierte Softwarelösung verwendet, sollte man außerdem Wert darauf legen, dass die Metadaten der Kommunikation vom Cloud-Provider nicht für eigene Zwecke verwendet werden können.
Außerdem sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass Unterlagen und Hardware auch im Familienkreis nicht frei einsehbar sind und nach der Verwendung sicher aufbewahrt werden, idealerweise in abschließbaren Räumen oder Schränken.
Die Corona-Warn-App – Techniksegen oder Datenschutzrisiko?
Das Thema Tracking-App gehört nach wie vor zu den datenschutzrechtlichen Brennpunkten in der öffentlichen Diskussion. Deutschland hat sich für eine dezentrale Lösung entschieden, d.h. dass die Datenspeicherung nur auf den Endgeräten der App-Nutzer erfolgt statt auf einem zentralen Server. Die Kontaktpersonen selbst werden auf dem Handy nicht mit Namen identifiziert, sondern nur über zufällige Nummern. Vor diesem Hintergrund kann man von einer datenschutzfreundlichen Lösung sprechen.
Welche Haftungsrisiken drohen bei Datenschutzverstößen?
Nicht zuletzt wegen der teilweise erheblichen Bußgeldandrohungen ist das Datenschutzrecht zuletzt stärker ins Blickfeld von Unternehmen und Beratern gerückt. Bei Verstößen drohen je nach Tatbestand Sanktionen von bis zu zwei bzw. vier Prozent des globalen Jahresumsatzes der betroffenen Unternehmensgruppe. Für Unternehmen, die angesichts der Herausforderungen der Pandemie ihre Mitarbeiter schützen wollen, ist das Sanktionsrisiko aber überschaubar, sofern die Datenerhebung zeitlich begrenzt und die von der Datenverarbeitung Betroffenen sorgfältig informiert werden.
Fazit
Datenschutz ist ein sensibles Thema. Das hat sich auch in Zeiten von COVID-19 nicht geändert. Obwohl Unternehmen gerade sicherlich reichlich andere Themen haben, sollten sie den Datenschutz daher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hilfestellung gibt es u.a. von den Datenschutzbehörden der Bundesländer. Je nach Bundesland haben die Datenschutzbehörden zu diesen Themen Informationen, Muster und Checklisten bereitgestellt.
Hier finden Sie Links zu guten Seiten der Behörden mit Mustern und Empfehlungen:
- https://datenschutz-hamburg.de/pages/corona-faq
- https://www.datenschutz-mv.de/datenschutz/publikationen/Corona/
Empfehlungen des Bundesbeauftragen zur Nutzung von Messenger- und Videokonferenzdiensten in Zeiten der Corona-Pandemie:
Praxishilfe der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD):
Warum ein „Criminal Compliance Podcast“?
Zahlreiche Fälle von Wirtschaftskriminalität beherrschen die Schlagzeilen. Vielleicht stehen auch Sie, wie viele Unternehmen, Führungskräfte, Compliance-Verantwortliche und Berater*innen immer wieder vor der Frage, wie Sie mit Themen von Wirtschaftskriminalität umgehen sollen, etwa in Hinblick auf die präventive Compliance-Arbeit, als Geschädigte oder als (möglicherweise zu Unrecht) Beschuldigte.
Dieser Podcast unterstützt Sie dabei, einen Weg durch dieses Dickicht zu finden. Wir werden daher in den nächsten Folgen wichtige Grundlagenthemen klären, über aktuelle Neuigkeiten berichten, Gespräche mit spannenden Gästen führen und auch über den (internationalen) Tellerrand hinausblicken.
Den Criminal Compliance Podcast finden Sie bei iTunes, Spotify, Google Podcasts, Deezer und überall sonst wo es Podcasts gibt.
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